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Beitrag vom 05.07.2002
Embryonale Stammzellen
Bianca Theurer
Stammzellenforschung mit Klonen eng verknüpft?
Ende Januar wurde der Antrag über die kontrollierte Einfuhr embryonaler Stammzellen mit knapper Mehrheit vom Bundestag angenommen: menschliche Zellen zu Forschungszwecken. Der Antrag wird noch dieses Jahr Gesetz, das bis zum Sommer verabschiedet werden soll. Aber was genau sind embryonale Stammzellen? Woraus und unter welchen Umständen werden sie gewonnen? Und warum ist die Stammzellenforschung so eng mit dem Klonieren verknüpft?
Die Medien überschlagen sich. Allerorts wird über Stammzellen und Stammzellenlinien berichtet. Meist in einem politischen oder moralischen Kontext. Die Definition zum Begriff embryonaler Stammzellen oder Zelllinien geht dabei unter oder taucht gar nicht erst auf.
Alles menschliche Leben - der Körper - entwickelt sich aus einer einzigen Zelle. Irgendwann besitzen wir dann 300 verschiedene Zelltypen. Aber die Zellen verlieren mit den Jahren ihre Fähigkeit, sich beliebig zu verwandeln. Wer nun frische Zellen für Therapien herstellen will, braucht Alleskönner - die embryonale Stammzelle. Im Alter von vier bis sieben Tagen sieht ein Embryo noch aus wie ein Zellklumpen. Der äußere Teil bildet später den Mutterkuchen. Die innere Kugel - bestehend aus ein paar hundert Zellen - reift zum Fötus heran. Die embryonalen Stammzellen werden aus den inneren Zellen gewonnen - wobei das Embryo zerstört und getötet wird. Aus dem Zellenkomplex lassen sich zwar alle möglichen Körperzellen, aber keine Embryos samt Mutterkuchen mehr züchten. Die Herstellung der Stammzellen fällt unter das Embryonenschutzgesetz, was nicht automatisch für den Import der Zellen gilt.
Stammzellen werden also aus lebenden Embryonen, die wenige Tage alt sind, gewonnen.
Ebenso ließen sie sich aus erwachsenem Gewebe, sogenannten adulten Stammzellen, isolieren. Allerdings ist die Isolierung dieser Stammzellen kompliziert und ihre Teilungsfähigkeit begrenzt.
In den Augen der Kritiker wird menschliches Leben zum Rohstoff degradiert. Interessanterweise wird heute den Zelllinien bei der Bekämpfung von Alzheimer oder Krebs eine enorme Wunderkraft nachgesagt - ohne empirische Grundlage!
Welche Eigenschaften machen embryonale Stammzellen für Forscher interessant? Sie haben die Fähigkeit, jedes beliebige Gewebe von Blut- über Knochen- bis Herzzellen zu bilden, und sie teilen sich unermüdlich. Die Forscher hoffen, eines Tages aus menschlichen embryonalen Stammzellen Ersatz für krankes Gewebe züchten zu können und es ihren Patienten einzupflanzen. Bis das, was gemeinhin mit "therapeutisches Klonen" bezeichnet wird, möglich ist, benötigt die Forschung - nach eigenen Angaben - noch zwanzig Jahre. Verschwiegen wird die Tatsache, dass beim Übertragen von unreinen Zellkulturen in anderes Gewebe Krebs ausgelöst werden kann.
Soll ich mein behindertes Kind behalten? Wer sich als Frau mit dem Thema Schwangerschaft auseinander setzt, vielleicht noch über dreissig Jahre alt ist und ein Kind plant, stellt sich wahrscheinlich die Frage, was tun, wenn frühzeitig eine Behinderung festgestellt wurde. Das nur ein äußerst geringer Prozentsatz der späteren Behinderungen im Mutterleib festgestellt werden können und darüber hinaus ein vielfaches der Neugeborenen durch die Geburt behindert bleibt, recherchiert sich nicht so leicht wie die Tatsache, dass eine Frau kaum (finanzielle) Unterstützung erhält, zieht sie ein behindertes Kind groß. Zwar macht uns das System glauben, dass jede Entscheidung eine individuell getroffene ist, dennoch verwundert es, dass sich viele Frauen - aus freien Stücken? - gegen den Fötus entscheiden, wenn der Arzt eine angebliche Behinderung diagnostiziert. Was der Staat tut, um die Entscheidung gegen Kinder mit Behinderungen zu unterstützen ist, aus Sicht der Frau, leicht erklärt: Wer ein behindertes Kind zur Welt bringt, leidet sein Leben lang darunter - und zwar an den finanziellen Folgen. Behinderte Menschen, fallen also wie Brotkrümel durch ein Raster, weil sie nicht ganz der "Norm" entsprechen.
Schwangere erleben zunehmenden Druck, wollen sie sich nicht pränatalem Screening während der Schwangerschaft unterziehen. In Großbritannien wurde sogar die Anwendung der Präimplantationsdiagnose (PID) ausgeweitet. Das Verfahren, bei dem außerhalb des Mutterleibs befruchtete Eizellen genetisch untersucht und dann wieder in die Gebärmutter implantiert werden, durfte bislang nur in einem Punkt Anwendung finden: zum Ausschuss von Embryonen mit schweren, genetisch bedingten Krankheiten. Künftig können Eltern aber mit PID versuchen, einen eigenen Blut- oder Gewebespender für ihr bereits geborenes, krankes Kind zu erzeugen.
Ebenso wurde der Medizin schon gestattet die PID einzusetzen, um die Geburt eines Kindes mit Trisomie 21 (bekannt als Down-Syndrom) zu verhindern. Auch andere unmenschliche Forderungen seitens der Wissenschaft werden immer drängender: für fremdnützige Medizinforschung auf Menschen zuzugreifen, die nicht (mehr) selbst einwilligen können.
Den Hintergrund kurz notiert:
Ein Drittel der weltweit zur Verfügung stehenden Stammzellen kommen aus Schweden. Geforscht wird an menschlichen Lebewesen, deren Blut zirkuliert und die lebensfähig sind. Mit "zu geringer Qualität" beschriebene Embyonen oder eingefrorene, die ein Paar zu Forschungszwecken freigegeben hat. Die Stammzellenlinien sind dort begehrt , wo wegen nationaler Gesetzgebung eigene noch nicht entwickelt werden dürfen.
In Schweden und Großbritannien ist der Weg für "therapeutisches Klonen" freigegeben. In beiden Ländern ist es per Gesetz möglich, den Zellkern eines Patienten in eine entkernte Eizelle zu transferieren, um Stammzellen zu bekommen, die mit dem Patienten genetisch übereinstimmen. Bevor Schweden als zweites Land weltweit mit solchen Forschungen beginnen kann, soll erst geregelt werden, dass geklonte Embryonen einer Frau nicht mehr in die Gebärmutter eingesetzt werden dürfen, so der sozialdemokratische Forschungsminister Thomas Östros.
Bianca Theurer, p-konzept